Ein Superforecaster erklärt Superforecaster
Dr. Roman Hagelstein ist Superforecaster der ersten Stunde. Damit ist er nachgewiesen jemand, der die Zukunft entscheidend besser einschätzen kann. Und wie so oft ist Superforecasting ein Hochleistungssport, der in der Breite viele positive Eigenschaften mit sich bringt. Die zwei Fragen an Roman sind „Was ist ein Superforecaster“ und „Wie mache ich in Zukunft bessere Prognosen.“
Was ist ein Superforecaster?
Professor Phil Tetlock hat die Superforecaster 2014 zufällig entdeckt. Er hatte bei einem Vorhersage-Turnier der CIA dieses Mal etwas Neues probiert. Alle anderen Teams hatten sich, wie immer, auf Fachexperten verlassen, etwa Iran-Experten für Iran-Fragen. Aber Tetlock wusste, dass diese Fachexperten für Vorhersagen nicht geeignet sind. Sie taugen sogar weniger, als der Mann und die Frau von der Straße – das hatte seine vorherige Forschung ergeben. Denn Fachexperten haben zu viel Selbstvertrauen. Gerade Experten überschätzen ihr Prognosewissen wegen ihres Fachwissens besonders häufig selbst, und sie tappen damit in eine Falle. Fachwissen und eine besondere Fertigkeit, das nächste Ereignis genau vorherzusagen, stehen einander im Weg.
Dr. Roman Hagelstein arbeitet als Controller und Forecasting-Spezialist unter www.smart-forecast.com.
Deshalb engagierte Tetlock für dieses Turnier bewusst keine Fachexperten. Er ließ die 500 Fragen, die die CIA ihm in vier Jahren stellte, von 30.000 Menschen aus dem Internet beantworten. Als die zur Lösung dieser Fragen relevanten Ereignisse nach und nach eingetreten sind (oder nicht) fiel ihm auch noch eines auf: eine kleine Gruppe von etwa 2% dieser Menschen lag immer und immer wieder in ihrer Vorhersage richtiger als der Rest – die Superforecaster. Egal ob zu Iran oder Russland, China oder Deutschland – ein kleiner Teil seiner Schwarmintelligenz war besser, als der gesamte Schwarm.
Diese Männer und Frauen wurden daraufhin detaillierter erforscht. Sie waren weder besonders intelligent, noch besonders zäh. Noch war ihr Fachwissen besonders gut. Aber sie nutzten Statistik, Teamwork und Szenarioanalysen statt Intuition zur Beantwortung der Fragen. Sie haben Hintergründe recherchiert, sie sind auf Prognostiker, die eine andere Meinung wie hatten, systematisch aktiv eingegangen, um zu erfahren, warum sich die Sichtweisen unterscheiden. Wenn ein anderer Projektteilnehmer sie überzeugen konnte, dann änderten sie breitwillig ihre Einschätzung.
Wie mache ich in Zukunft bessere Prognosen?
Als Vorhersager muss ich mich erst einmal von meinen Emotionen trennen, und es vermeiden, Wunsch und Wirklichkeit zu vermischen. Wird Präsident Putin nächstes Jahr noch im Amt sein? Ob mir passt, ob er noch da ist, oder nicht, ist vollkommen egal. Mein Wille kann die Prognose keinesfalls beeinflussen. Wie hoch ist dagegen die allgemeine Sterblichkeit von russischen Männern in seinem Alter? Wie hoch sind ungefähr die zusammengerechneten Wahrscheinlichkeiten, dass er aus einem anderen Grund geht: gesundheitliche Gründe, erfolgreiche Palastrevolten oder freiwilliger Abgang? Dazu und zu vielem mehr muss ich mir Gedanken machen.
Das gilt auch im Fußball. Fans überschätzen gerne ihre Chance, mit lautem Gebrüll im Stadion das Ergebnis beeinflussen zu können. Leider hören viele Menschen nicht gern, dass Prognosen und die subjektive Erfahrung zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. Aber für die Superforecaster ist das vollkommen logisch. Wer vom Konsens und von typischen vergleichbaren vergangenen Ergebnissen abweicht, muss dafür sehr gute Gründe haben.
Am Ende ist die tägliche Abgabe von Prognosen gar nicht leicht, und auch auf Feedback zu hören fällt jedem Menschen schwer. Superforecaster sind nur etwas besser darin, und Training kann die Prognosen eines jeden Menschen nachweisbar auch verbessern. Und das hat viele Vorteile im Alltag. Wenn auf meiner Strecke zur Arbeit eine neue Baustelle liegt, muss ich mir überlegen, ob ich den Weg ändere oder stur weiter dieselbe Strecke fahre. Bei der Entscheidung verlasse ich mich teils auf meine eigene Einschätzung, und teils auf externe Daten, probiere immer wieder aus, und komme schnell zu einer Einschätzung. Und so einfach optimiere ich meinen Weg zur Arbeit!